- Fantasie und Wirklichkeit - Natürlich hielt sie ihr Wort und veranstaltete ein Picknick für und mit Jörg. Aber nicht auf dem kalten, ungemütlichen Boden dieses unpersönlichen Wohnsilos. Sie wollte ihren interessanten Nachbarn Jörg schon immer kennelernen. Sie hatte nur auf eine Gelegenheit gewartet ihn anzusprechen. Aber das war bei Jörg nicht so einfach. Er war viel zu selten zu Hause, und sich 'ne Tasse Zucker zu borgen wäre auch ein bischen plump und sowieso nicht Karen's Stil gewesen. Also packte Karen diese unerwartete Gelegenheit bei Schopfe und lud Jörg zu einem ausgedehnten Brunch auf ihren Plüschteppich ein. Nachdem Jörg, technisch versiert, die Hauptsicherung der 9. Etage wieder eingeschaltet hatte, er ließ sich damit etwas Zeit damit sie nicht merkte, daß er es war der sie ausgeschaltet hatte, klingelte er bei ihr. Karen fragte in der Zeit ihren Kühlschrank was er bereit war herzugeben. Sie fand außer der Margarine die sie für das Schwingtür- scharnier mißbrauchen wollte( Sie wußte nicht, daß man pflanzliches Fett nur zum Schmieren von Scharnieren verwenden sollte wenn man demnächst auszieht, weil es ranzig wird.) noch einen völlig verrunzelten Apfel der sie spontan an das Foto ihrer Oma erinnerte, die Karen nie kennengelernt hatte, weil sie verstarb bevor Karen das Licht der Welt erblickte. Sie bekam ein schlechtes Gewissen als sie sich bei diesem Gedanken ertappte, obwohl oder gerade weil sie Ehrfurcht hatte vor dem Alter. Solange Karen auch in ihren Kühlschrank starrte und wohl darauf wartete, daß er sich 'Schlaraffenland-Like' füllen würde, außer einer Neige Marmelade die sie von einem Wochenendtrip nach Ahlbeck mitgebracht hatte und Nagellack konnte sie nichts finden womit man ein Picknick annähernd hätte als abwechslungsreich bezeichnen können. Auch als endlich das Licht das Innere des Schrankes erhellte, änderte sich das Bild nicht. Aber warum war es ihr peinlich? Sie ist Single und geht deshalb nicht öfter als 2 mal im Monat einkaufen. Es klingelte. Jörg. Sie öffnete die Wohnungstür. Es war nicht weiter schlimm, daß ihr Haushalt nicht der einer "Hausfrau mit 2 Kindern war". Denn Jörg hatte, wie nicht anders zu erwarten war, vorgesorgt. Er stand in ihrem Flur mit einer Tüte in der Hand. "Ich habe noch eine Buchdstabensuppe gefunden, die können wir ja gemeinsam kochen." sagte er schelmisch. Kochen?! Er wollte nicht kochen, sondern sie zum Kochen bringen. Er dachte dabei auch nicht an die Buchstabensuppe (**), obwohl man DAS auch vor einem Herd tun könnte. Er war seit dem Tag an dem Karen neben ihm einzog fasziniert von ihr. Sie hatte enge Naturlocken die ihr alle gleichlang bis zur Schulter reichten. Sie verwendete nicht besonders viel Zeit noch Energie darauf aus ihren Haaren eine Frisur zu machen. Aber mit kaum zu bändigender Krause grenzt das auch an Zaubern. Sie wirkte nicht ungepflegt, eher natürlich wild. Sie trug immer nur sehr dezentes Make-up; Lidstrich, gezupfte Augenbrauen, wunderschöne lange Wimpern, Lippenstift in einer warmen Farbe den man nur ahnen konnte, unterstrichen pefekt die markanten Züge ihres androgynen Typs. Sie verbrachten den Rest der Nacht und den kompletten Vormittag damit sich gegenseitig sehr persönliche Fragen zu stellen. Somit kam zu der körperlichen Anziehungskraft noch die seelische. Im Moment des Verliebtseins glaubten sie sie sind geschaffen für einander. Die Müdigkeit die nach dieser schlaflosen Nacht nicht ausblieb, veranlaßte sie dazu es sich in Karens Bett gemütlich zu machen. Jörg war der zärtlichste Mann den sie bis dahin kannte. Sie fühlte sich geliebt und geborgen in seiner sanften Umarmung. Karen erlebte den schönsten Sex den sie je hatte. Wochen später gestand er Karen, daß er die Großstadt verlassen muß um in einem Vorort einer nicht viel größeren Kleinstadt seinen neuen Job anzutreten. Sie reagierte erstaunlich gefaßt. Damit hatte Jörg nicht gerechnet. Von da war ihre Beziehung nicht mehr so wie früher. Sie wurde kühler zu ihm. Sie war Herr über ihre Gefühle. Es stand in ihrer Macht mit dem Kopf ihr Herz gefügig zu machen. Er bemerkte das natürlich, aber er mußte es hinnehmen. Sie schliefen noch miteinander, aber der Zauber war dahin. Der Tag seiner Abreise rückte näher und näher! Karen schob ihre ständige Übelkeit und ihre Schmerzen auf die Tatsache, daß Jörg sie nun bald verlassen würde und auf die Ungewissheit wie die Entfernung ihre Beziehung verändern würde. Noch konnte Sie nicht ganz auf ihn verzichten. Dazu war die Liebe zu frisch und unausgelebt. Irgendwann trieben sie diese Symtome doch zum Arzt, denn sie begann jeden Morgen mit einer Schmerztablette und einer gelben Pfütze im Waschbecken. Sie dachte an eine Magen-Darmgrippe als Diagnose. Der Allgemeinmediziner untersuchte sie auf Blinddarmentzündung. Negativ! "Es könnte auch eine Eierstockentzündung sein, aber dazu überweise ich sie lieber zum Gynäkologen." Na toll!? Sie hatte schon so wenig Zeit und jetzt eventuell noch ins Krankenhaus. "Herzlichen Glückwusch Frau Gericke, sie sind schwanger!" Damit hatte sie nicht gerechnet. Sie war völlig konsterniert. Wie sollte sie das alles schaffen? Wie würde Jörg reagieren? Würde er sich eingeschränkt fühlen? Das wollte sie auf keinen Fall! Wie sollte ein Leben funktionieren, er so weit weg? Kann sie es dann überhaupt austragen? Sie brauchte Zeit aber die hatte sie nicht. Er würde bald nicht mehr da sein. Sie irrte den ganzen Nachmittag in der Stadt umher. Ihr Handy klingelte. Es war ihr Ex-Freund,ihm war seine neue Schnecke weggerannt. Der meldet sich auch nur wenn er ein Problem hat. Als hätte sie jetzt die Nerven für ein Ich-bin-immer-für-Dich-da-Gespräch. Sie ging zu ihrer besten Freundin und übernachtete auch dort. Sie konnte jetzt nicht nach Hause. Jörg würde merken, daß mit ihr etwas nicht stimmt und sie konnte nicht mit ihm reden bevor sie eine Entscheidung getroffen hatte. Das Gespräch mit Ellen war wohltuend und beruhigend. Mit Ellens Hilfe hatte sie schon so manches nicht zu lösend scheinendes Problem bewältigt. Karen entschied sich Jörg nichts von ihrer Schwangerschaft zu erzählen. Entweder würde sie es abtreiben oder ohne ihn als Vater, großziehen. Es war nicht so einfach sich nichts anmerken zu lassen, aber sie schaffte es, so daß Jörg völlig unbelastet seiner Wege gehen konnte. Sie wußte was es für ihn bedeutete, Freiheit! Ich weiß nicht ob es bei allen Männern so ist, aber ich habe festgestellt, daß sie Problemen gern aus dem Weg gehen sie unbewältigt lassen und dabei glauben sie wären dann nicht mehr existent. Ein Problem zu umgehen ist sicherlich eine Alternative, aber auch ein Auto kann kippen wenn es bei einem Elchtest zu schnell die Kegel umfährt. Jörg wußte als er weg ging nichts von Karens wahrem Gemütszustand, deshalb konnte er auch absolut unbeschwert und euphorisch seiner Zukunft entgegen- blicken. Natürlich hatte er auch so seine kleinen Sorgen. Schließlich mußte so ein Umzug gut organisiert werden, aber darin war er inzwischen Profi. Und mit einem so hohen Adrenalinspiegel schaffte er das spielend. Es hatte sich in seinem neuen Umfeld gut eingelebt, hatte alte Gewohnheiten gegen neue getauscht, hatte neue Bekannte und Freunde gefunden und war glücklich. Nun, 'glücklich' sagt man so schnell gedankenlos dahin. Aber was ist das? Jeder empfindet das sicher anders. Wie mißt man die Stärke eines Erdbebens. Jedenfalls war er zufrieden, das trifft es wohl eher. Ständig unterwegs, abgelenkt von der Vergangenheit verblaßten die Erinnerungen an seine verfloßenen Liebschaften während unter Karens stolzer Brust sein Kind wuchs. Sobald man ihren Bauch sehen konnte, trug sie Kleider in denen ihr Zustand nicht zu übersehen war. Die Vorfreude auf das Kind überstrahlte die Wehmut über den Gedanken an den Vater ihres Babys. Die Fruchtwasseruntersuchung hat ergeben, daß es ein gesundes Kind werden wird und ein Junge. Sie überlegte sich Namen. Sie schlenderte durch Einrichtungshäuser auf der Suche nach schönen Kinderzimmermöbeln. Sie sah die Angebote die überall an den Kassen standen, Plüschteddys und allerlei Kleinspielzeug, jetzt mit anderen Augen. Selbst das Quitscheentchen in ihrer Badewanne das sie sich mal geschenkt hatte, brachte ein Lächeln auf ihre Lippen. Sie kaufte den ersten Strampler. Wochen nach der Entbindung, bei einer dieser freuderfüllten Besorgungen lernte Karen einen Mann kennen. Sie ließ sich auf eine Beziehung ein. Es war bei ihr nicht die große Liebe, aber das Zusammensein mit ihm war sehr angenehm, ohne größere Höhen und Tiefen. Vielleicht ist es für eine Beziehung die ein Leben lang halten soll auch besser, nicht so tief zu empfinden. Er hatte einen Job und verdiente auch nicht schlecht. Er war häuslich und trotzdem nicht weniger männlich. Er war lebenstüchtig, kannte sich aus mit Steuern, Aktienfonds, Kreditmodalitäten, Eigenheimzulage, alles was ihr abging. Er war gut zu ihr und bereit mit ihr und dem fremden Kind sein Leben zu verbringen. Er machte Karen einen Heiratsantrag..... B.B. Wörter die vorkommen mussten: > Buchstabensuppe > androgyn > Eigenheimzulage > konsterniert > Elchtest