Karen 5 karen war jetzt ein halbes jahr in nepal. von joerg hatte sie sich nach schon 3 wochen getrennt. ihr erster grosser streit sollte auch ihr letzter sein. karen machte den aeltesten fehler der welt, sie verwechselte verliebtheit mit liebe. ihr disserationsprojekt wollte sie dennoch nicht abbrechen. sie hatte noch nie versucht, sich für laengere zeit auf nur ein thema zu konzentrieren, alle zeit und kraft einer einzigen sache zu widmen. nicht vor nepal. jetzt wußte sie, dass sie dafuer nicht der typ war. und sie war erleichtert, ja sie war glücklich wieder einmal zu wissen, was sie nicht will. eine riese last fiel von ihren schultern. sie fühlte sich frei und leicht. zum ersten mal, seit sie hier nach katmandu gekommen war, hoerte sie die schreie spielender strassenkinder oder das klappern der hufe ueberladener maultiere. der sunkosi ein nebenfluss des ganges war heute so lebendig wie nie zuvor. die gewaender der feierlich geschmückten gäste einer totenverbrennung am anderen ufer erstrahlen in ihrer farbenpracht. ihre gedanken trieben dahin wie die asche des geehrten auf den wellen des sunkosi. "warum gibt es nichts, was mich auf dauer befriedigt? was will ich wirklich erreichen?" sinniert karen ueber ihr leben. all die stationen ihres unsteten lebens blitzten in ihrem gedaechnis auf, wie die gluehenden Holzscheite gegenueber. das einzige was konstant blieb, war ihr drang nach neuem wissen, der suche nach antworten fuer die es noch nicht einmal eine frage gab. sie wollte dinge zu ende denken, wo andere keinen weg sahen. ein warmes kribbeln, das vom ihrem nacken ausging ueberzog sie mit einer gaensehaut. aber es war - nicht der auffrischende abendwind. sie hatte eine ahnung. so oft sie sich in ihren illusionen verrannt hatte, genauso klar und deutlich konnte sie es jetzt vor sich sehen. "wer stellt fragen, die sich sonst keiner traut? wer denkt weiter als alle anderen und zieht daraus die schlussfolgerungen. reporter! "ich werde journalistin. ich werde wissenschaftsjournalistin" schreit sie aus sich heraus. als kleines kind schon wollte sie die welt um sich herum klueger machen, sie mit inhalten fuellen. inhalten mit qualitaet. es kommt ihr so vor als wuerde ploetzlich ein faden nach dem anderen durchschnitten - an denen sie zuvor wie eine marionette hing. endlich kann sie auf eigenen fuessen stehen. endlich fuegt sich das puzzle zu einem bild zusammen. alles was sie bisher gemacht hat war nur eine pruefung fuer die eigentliche aufgabe, fuer die sie bestimmt ist. nicht umsonst hatte sie studiert, unzaehlige zeitschriften aboniert. ja sie hatte sogar fuer die schuelerzeitung geschrieben und die wandzeitung gestaltet. nicht zu vergessen, karens mutter war lehrerin. sie hatte also die begabung andere zu lehren praktisch mit der muttermilch aufgesogen. karen hatte ihr ziel jetzt klar vor augen. und es gab nur einen weg dorthin - den schnellst moeglichen. natuerlich musste sie nach hamburg - es war die medienstadt schlechthin. allein die vorstellung wieder in einer grossen metropole zu leben versetze sie in hochstimmung. sie musste sofort nach kalkutta und den rueckflug buchen. "ich werde eher in deutschland sein, als die asche des toten mannes das offene meer erreicht". hamburg empfaengt sie wie ein warmer sommerregen. die natuerliche herzlichkeit der menschen auf der strasse und ihr sproeder charme geben ihr das gefuehl von vertrautkeit. hier muss sie sich nicht verstellen. es dauert noch einen monat und sie hat in einem kleinen aber aufstrebenden online verlag eine stelle gefunden. sie betreut, fast ganz alleine, den redaktionellen bereich "wissenschaft und technologie". das heisst selber entscheidungen zu treffen, aber auch verantwortung zu uebernehmen. karen ist sich ihrer rolle die sie spielen wird bewusst. "so muß es sein wenn man erwachsen ist", denkt sie sich. den erstern arbeitstag kann sie gelassen angehen. es ist nicht ihr erster neuanfang erst dieser vorort einer nicht viel groesseren kleinstadt, dann zehntausende meilen weit weg in nepal und nun hamburg - es ist wie schnuersenkel binden - man muss es erst gelernt haben, um es wirklich zu koennen. einmal, auf dem weg zur arbeit, sieht karen ein kleines, verstoertes kind im park stehen. es schreit nach ihrer mutter, die von weitem angerannt kommt. es waren nur ein paar sekunden des allein seins, ohne den schutz und die geborgenheit der mutter. Karens herz krampfte sich zusammen. ploetzlich mußte sie an den eigenen verlust der geborgenheit, der heimat denken. sie muss schlucken. das ist der preiss fuer ihre freiheit, für die Befriedigung ihrer Neugierde. die dunklen gedanken sind verfolgen. von ihrem redaktionsleiter, herr langweil bekommt sie einen auftrag. es ist ihr erster auftrag. es war nur ein kleiner auftrag aber sie fuhlte sich wie bei einer erstbesteigung des mount everest oder zumindest so wie sie dachte, dass es auf einer erstbesteingung des mount everest zugehen muesste. es ging um eine recherchetaetigkeit zu einer dieser neuen biotec firmen, die im gefolge des human-genome projektes ueberall gegruendet werden. metagen machte mit einem impfstoff fuer eine neue influenza virus abart, die in suedafrika entdeckt worden ist, von sich reden. sie wurde ausgewaehlt weil sie biologie als nebenfach im studium in ihrer bewerbung angegeben hatte. wie gesagt es war ihr erster auftrag, und sie wollte gleich alles richtig machen. wie naiv. als koennte man jahrelange berufserfahrung durch tag und nacht und wochenende arbeiten aufholen. aber sie tat es dennoch. ihre sozialen kontakte beschraenkten sich auf den tuercken imbiss an der ecke und den frauenarzt alle 3 wochen. und das auch nur weil ihr arzt das fungizit gegen diese verdammten, nepalesischen pilze nur kontrolliert abgeben kann. sie ertappte sich dabei, wie sie ihren kollegen neidisch nachschaute, wenn sie freitags um drei das buero verliessen. zeit genug fuer das taegliche workout und wellness programm, fuer das anschliessende abendessen im after hours club und fuer das sogfaeltige dressing up, passend zu dem ambiente des dance temple of the night. doch auch wenn sie es selber noch nicht weiss, das ist es nicht was sie will. dieses immer wiederkehrenden muster, eindimesionaler ziellosigkeit waere ihr geistiger tod. noch ist sie versucht sich zu rechtfertigen, ja sogar zu entschuldigen, dass sie ein wokaholic ist. doch die mitleidigen blicke die sie dafuer erntet wird sie bald zurueckgegen koennen. dann. dann, wenn sie den letzten buchstaben ihres artikels geschrieben hat. wenn sie mit einer enter taste die online produktion triggert und ihre zeilen um die ganze welt gehen. wochen, ja monatelange anspannung loesen sich auf in einem endlosen strom von adrenalin schueben der suechtig macht. drogenkonsum ist dageben wie so harmlos wie die unschuld zu verlieren. was bleibt ist die gewissheit einen guten artikel geschrieben zu haben. sie - karen, hat ihm leben eingehaucht, ihm eine seele gegeben. und dafuer ein stueck von sich selbst geopfert. der lohn den sie dafuer bekommt ist nicht bezahlbar. es ist ihr inneres gleichgewicht, ihre innere ruhe, die sie bekommt, wenn sie und ihre arbeit eins werden. wenn sie alles um sich herum vergisst. es gleicht einer meditation wenn sie wie in trance die fakten zu worten, die woerter zu saetzen und die saetze zu aufsaetzen werden laesst. es ist wie in einer endlosschleife ohne abbruchbedingung. es ist nicht trivial, ein so theorielastiges thema voller akronueme und artifizieller verfahrweisen in plastische worte zu fassen und in erzaehlerischer weise an den leser zu bringen. sie hat ein gespuer dafuer. der bericht ueber metagen wurde ein erfolg. es soll eine ganze serie davon folgen. es ist ihr projekt. ihr erstes. karen hat sich an den alltag in der neuen firma gewoehnt. sie erkennt die leute inzwischen an der art ihres gangs, wenn sie an ihrem buero vorbeigehen. und an ihrem gesichtsausdruck erkennt sie, wie wichtig ihr anliegen ist. karen spielt ihre spielchen mit und gibt ihnen die reaktionen die sie erwarten. fuer das aufbauen von beziehungen ist keine zeit. der stress und die hektik machen ihr nichts aus. es ist positiver stress. wenn die technik verrueckt spielt oder die grafik zulieferung nicht fertig wird, dann sucht sie den fehler nicht bei ihren kollegen. vielmehr ist sie erleichtert ueber die menschliche unvollkommenheit, die sie mit einschliesst. sie wundert sich nur, dass ueberhaupt soviel funktioniert. einigen kollegen geht sie aus dem weg. die leben in einer anderen galaxie. ganz im gegensatz zu juergen. karen laesst keine gelegenheit aus, nach dem technik-mitarbeiter zu rufen. und wenn windows nt - gar nicht abstuerzen will, muss auch schon mal ein verrutschtes mauspad herhalten. das flirten ist allerdings kein selbstzweck. es ist eine art kraeftemessen und eine wohltuenede form der selbstbestaetigung. dieser status ist beiden nicht nur bewusst sondern wird sogar kommuniziert. wie, um sich der harmlosigkeit dessen zu versichern was nicht harmlos sein kann. mehr als eine arbeitsbeziehung kann sich keiner leisten. dafür nimmt karen ihren job zu ernst. das ist der status quo. das weiss auch jürgen ... Woerter die vorkommen mußten: * Muttermilch * Drogenkonsum * artifiziell * Verlust * fungizid