Die Tasche Sie war nicht schön, aber praktisch. Sie wurde viel benutzt, von der ganzen Familie. Für eine drei-farbige Nylon-Sporttasche war es durchaus nicht selbstverständlich auf Reisen mitgenommen zu werden, bei Umzügen eine tragende Rolle zu spielen und auch den Wochenendeinkauf voll im Griff zu haben. Die drei-farbige Nylon-Sporttasche war mächtig stolz, dass sie vor anderen Taschen die extra für diese speziellen Aufgaben konstruiert waren, den Vorzug bekam. Auch über die Jahre hinweg verlor sie nie an Attraktivität, auch wenn schon mal eine Seitentasche eingerissen war oder der Geruch ausgelaufenen Moschusduschbades nie ganz verschwand. Doch es war ihre Leichtigkeit, die den Ausschlag gab sie für eine weitere Mission auszuwählen. Eine Mission, die sich zu einem Abenteuer entwickeln würde, wie sie noch keines zuvor erlebt hat. London rief. Sie wusste nicht genau warum gerade der Ruf nach London ihre Trageriemen straffer werden ließ. Vielleicht war es die Vorfreude auf Hunderte geheimnisvolle, fremdländische Taschen auf dem Kofferband zu treffen. Heimlich träumte sie davon in der London-Tube zu stehen, wo vorher schon die Koffer von Robby Williams, Nick Hornby und Lord Nelson standen. Von Berlin ging es zunächst nach Hamburg. Die ICE-Fahrt war sehr bequem. Die Tasche hatte ein Gepäcknetz das ja eigentlich ein Leichtmetallhohlprofilhochregal war aber immer noch Gepäcknetz heißt. Wahrscheinlich ist der andere Name einfach zu lang. Den Heimweg vom Bahnhof verbrachte sie auf dem Rücken eines geräderten Koffers ohne auch nur einen Spritzer Hamburger Regenpfützenwassers ertragen zu müssen. Nachdem der Taschenbesitzer seine Verpflichtungen in der Stadt erfüllt hatte, sollte es weiter gehen nach London. In der drei-farbigen Nylon-Sporttasche befanden sich wieder ein Bett und eine Luftmattratze nebst Schildkröte. Alles zusammen etwa 10kg. Allerdings waren das genau die 10kg zuviel, neben den anderen 10kg die auch schon zuviel waren aber vom Taschenbesitzer mit höherer Priorität eingestuft wurden, die einen direkten Transport als wirtschaftlich nicht mehr tragfähig erscheinen ließ. So kam es, das die drei-farbige Nylon- Sporttasche zunächst bei einem Freund des Taschenbesitzers unterkam, der wie es der Zufall wollte, eine Dienstreise in just dieselbe Stadt plante die auch das ersehnte Reiseziel der Tasche war. Allein der Taschenbesitzehrfreund hatte sich verplant. Es gab keine Dienstreise nach 2 Wochen, auch keine nach 3 Wochen und auch die nach 2 Monaten war nichts weiter als ein Hoffnungsschimmer auf dem Meer der Tränen der verpassten Gelegenheiten. Da lag sie nun in der Ecke in einer fremden Wohnung auf halber Strecke und ohne Aussicht auf Veränderung. Sie fühlte sich verraten und missbraucht. Ohne Licht, neben dumpf riechenden Antiquitäten und Farbeeimern zählte sie die Stunden. Die einzige Abwechslung war eine Hauskatze, die ihre Krallen an ihren geschundenen Trageriemen schliff. Zwei mal noch wurde sie in ihrem Glauben an eine Rettung enttäuscht. Einmal machten sich gemeinsame Freunde des Taschenbesitzers und des Taschenbesitzerfreundes auf den Weg von Hamburg nach London. Doch auch hier scheiterte der Versuch an einer dramatischen Übergepäckbelastung sowohl derer müden Muskeln als auch derer schmalen Geldbeutel. Ein weiterer Taschenbesitzerfreundfreund der nun tatsächlich auf Dienstreise mit denselben Koordinaten unterwegs war hatte ganz profan einfach keine Lust sich einer schwer aussehenden und auch relativ schwer zu tragenden Tasche anzunehmen. Nach 3 Monaten verlor die Tasche ihre Zuversicht. Sie wehrte sich nicht mehr gegen das für sie vorbestimmte Schicksal. Und siehe da, am nächsten Tag ergab es sich, dass Taschenbesitzer und sein Freund sich in Berlin am Hackischen Markt zu einem Osterbier trafen. Die Tasche musste währenddessen natürlich im Auto warten, das derweil im Parkverbot stehend die Aufmerksamkeit einer Politesse auf sich zog. Für die 20 EURO die das chauffieren der Tasche verursachte hätte man sie genauso gut auch durch ganz Europa schicken können. Aber das zählte alles nicht mehr. Die Tasche ist zurück in ihrer Heimat und war nie so glücklich. Sie hat es zwar nicht bis nach London geschafft, aber dennoch bestand sie ein Abenteuer, um das sie alle anderen Taschen beneiden. Und erst Recht die Tüten. Und wenn wir ganz genau hinhören können wir die drei-farbige Nylon-Sporttasche noch immer rascheln hören: "schschschschlondonschschsch" jwm. "Diese geschichte ist frei erfunden, jede Ähnlichkeit der hier beschriebenen Ereignisse und Figuren mit real existierenden Personen ist rein zufälliger Natur und nicht beabsichtigt." --- Taschenbilder können bestellt werden unter tasche@mitzlaff.de. Auch im Taschenformat auf spezielle Anfrage.